„Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“

Der Mensch kann nicht sagen „Nein, ich gehe nicht in den Krieg!“, er muss folgen.

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Das erwähnte Zitat des US-amerikanischen Dichters und Historikers Carl August Sandburg entspricht nicht der Realität: Der Mensch, ob jung oder alt, kann nicht sagen: „Nein, ich gehe nicht in den Krieg!“, er muss folgen. Bis heute kann man sich diese menschliche Reaktionsweise nicht erklären, weil sich der Mensch noch nicht erkannt hat – nicht sich selbst, nicht seine Natur, nicht seine seelische Verfassung und nicht seine Reaktionsweisen. Aufgrund tiefenpsychologischer Erkenntnisse wissen wir heute, dass die frühkindliche Erziehung so auf ihr Gefühlsleben eingewirkt hat, dass sie gehen müssen. Das ist kein freier Wille. Doch der Mensch kann sich durch fachmännische Hilfe Stück für Stück selbst erkennen, sich seiner unbewussten Gefühlsanteile bewusstwerden und sein Verhalten zum Wohle der Menschheit ändern. Wenn man sich mit diesen psychologischen Gedanken befreunden kann, werden sie Mut machen und keine neuen Ängste schüren. 

Der Krieg ist kein unabwendbares Schicksal; er ist ein gutes Geschäft, doch für die Menschheit eine Niederlage

Ob Erster oder Zweiter Weltkrieg, ob Vietnamkrieg oder der momentane Stellvertreterkrieg des Westens gegen Russland: Immer wieder schicken Mütter ihre Söhne auf das “Feld der Ehre“ und tragen anschließend „in stolzer Trauer“ eine schwarze Armbinde. Die Jugend stirbt, bevor sie beginnen kann zu leben (1).

Krieg ist für uns alle ein großes Unglück. Papst Johannes Paul II. sagte am 13. Januar 2003: „Krieg ist niemals ein unabwendbares Schicksal. Krieg bedeutet immer eine Niederlage für die Menschheit.“ Andere Völker zu bezwingen und sie zu beherrschen, das ist ein gutes Geschäft. Nie zuvor haben die Staaten der Welt so viel Geld für Rüstung ausgegeben, so viele tödliche Waffen geschmiedet wie heute. Die Gewinne der globalen Rüstungsindustrie sind astronomisch.

Im Leben der Völker hat der Militarismus stets eine verhängnisvolle Rolle gespielt. Der Kampf des Menschen gegen den Menschen hat immer wieder die Errungenschaften der Kultur in Frage gestellt. Die kriegerische Lebensweise wirkt verrohend und die Folge ist gewöhnlich ein Rückfall in die Barbarei, der sich auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens bemerkbar macht.

Leider ist die Menschheit nicht imstande, dieses uralte Übel aus der Welt zu bannen. Machtpolitische, wirtschaftliche und soziale Gründe geben dem Geist der Gewalt ständig neue Nahrung und führen zu vernichtenden Kriegen. Angesichts der ungeheuren Opfer an Menschen und Material, von denen die Kriegsgeschichte berichtet, erhob sich von Zeit zu Zeit der Mahnruf hochgesinnter Menschen, die das Ideal einer friedlichen Welt proklamierten. Die Idee eines ewigen Friedens ist sicher so alt wie die Menschheit selbst.

Heute sehen wir, dass der Krieg nur Werke der Zerstörung vollbringt; niemals dürfen wir von ihm unser Heil erwarten. Die geschichtliche Betrachtung zeigt sogar, dass der Niedergang der Kultur immer mit Kriegen verbunden war. Und obwohl diese Tatsache hinlänglich bekannt ist, ruft kein Universitätslehrer, kein Philosoph, kein Psychologe der Jugend zu: „Geht nicht!“

Männer jeden Alters können leider nicht anders. Die Erziehung hat so auf ihr Gefühlsleben eingewirkt, dass sie gehen müssen. So wie sie in der Kinderstube Vater und Mutter folgen mussten, folgen sie als Erwachsene politischen Autoritäten. Dieses Gefühl des absoluten Gehorsams aus der Kindheit tragen sie bis ins hohe Alter mit, ist ihnen aber nicht bewusst. Deshalb können und dürfen wir sie nicht verurteilen. Und die Eltern haben leider nicht gewusst, dass die Erziehung zum absoluten Gehorsam ein Fehler war. Sie haben es in der Regel gut gemeint, aber in ihrer Unwissenheit und aufgrund eigener Kindheitserlebnisse bringen sie ihre Kinder durch fragwürdige Erziehungsmethoden in Not.

Die gute Nachricht ist, dass die Menschen sich mit Hilfe eines psychotherapeutischen Fachmanns Stück für Stück selbst erkennen, sich ihrer unbewussten Gefühlsanteile bewusstwerden und ihr Verhalten ändern können.

Die Tiefenpsychologie und die Dynamik des Unbewussten als wesentlicher, hochwirksamer Teil des Lebens

Kein Mensch hat in vorpsychologischen, vom religiösen Mittelalter geprägten Zeiten über sich selbst, über seine Gefühle und über sein Leben Bescheid gewusst. Erst mit Ludwig Feuerbach (1804 bis 1872) und Karl Marx (1818 bis 1883) haben die Menschen angefangen, sich als Wesen der Natur zu sehen und sich selbst zu beobachten (2). Kurze Zeit später hat ein gewisser Arzt, Siegmund Freud (1856 bis 1939), in Wien die Entdeckung gemacht, dass der Mensch ein Unbewusstes hat. Das war vor über 100 Jahren.

Unglücklicherweise hat Freud als Kind seiner Zeit die Welt und die Menschen nicht verstanden. Er war konservativ und ein guter Patriot. So war er der Meinung, dass Österreich-Ungarn den Ersten Weltkrieg gewinnen soll. Die anderen sollen zugrunde gehen. Seine Psychoanalyse ist in gewissem Sinne versandet; sie ist eine ärztliche Sache geworden.

Doch durch die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Tiefenpsychologie wissen wir heute, dass man dem Menschen helfen, dass er sich umorientieren und seine Gefühle verändern kann. Die Lehre des Individualpsychologen Alfred Adler (1870 bis 1937) ist zu einem Grundpfeiler der Tiefenpsychologie geworden und aus der psychologischen Forschung nicht mehr wegzudenken. Die weitere Entwicklung der Tiefenpsychologie hat Adler in vielen Punkten Recht gegeben. Für Adler ist der Charakter ein schöpferisches Produkt des Kindes, entstanden aus der Auseinandersetzung mit den frühkindlichen Lebensumständen, insbesondere den Erziehungseinflüssen, die für die Charakterbildung am maßgeblichsten sind.

Die grundlegende Erkenntnis der Tiefenpsychologie ist die Annahme eines dynamischen Unbewussten als wesentlicher und hochwirksamer Teil des psychischen Lebens des Menschen. Aus diesem Grund kann der Mensch nicht sagen „Nein, ich gehe nicht in den Krieg!“ Die frühkindliche Erziehung hat sein Gefühlsleben so geprägt, dass er der Autorität, die ihn zu den Waffen ruft, folgen muss. Da es sich um unbewusste Gefühlsanteile aus der Kindheit handelt, ist sein Verhalten nicht das Ergebnis eines freien Willens. Er kann deshalb nicht verurteilt werden.

Leider gibt es heute noch wenig Psychologen, die sich der Sache der Menschen annehmen.

Doch das ist nicht gewollt. Das Wissen des jungen Menschen, der sich dem Studium der Psychologie zuwendet, fällt auf den alten Boden. Er ist religiös, national, patriotisch und staatsgläubig. Er steht in der Regel auf dem Standpunkt der Erhaltung dieses Systems.

Verehrte Leser, ich hoffe, wir verstehen uns und Sie können sich mit den psychologischen Gedankengängen anfreunden. Erst wenn bei den Menschen die innere Gefühlslage entstanden ist, dass man immer NEIN sagen kann und niemandem folgen muss, erst dann kommt die Tat.

Die Dynamik des Unbewussten in der Liebesbeziehung zwischen Mann und Frau

In diesem Zusammenhang erinnert sich der Autor an psychotherapeutische Gespräche während seiner Ausbildung und in der eigenen Praxis. In diesen Gesprächen ging es ebenfalls um die Dynamik des Unbewussten.

Junge Männer wandten sich hilfesuchend an den Psychotherapeuten, weil sie mit ihrer Haltung des Grolls und der Ablehnung die Liebe mit ihren Freundinnen und Frauen zugrunde richteten. Aufgrund ihrer Kindheitserlebnisse mit Eltern und Geschwistern konnten sie die Frau nicht bejahen, sich nicht auf eine Stufe mit ihr stellen. Sie wollten mehr gelten als die Frau und stets das letzte Wort haben; die Frauen dagegen sollten brav sein und gehorchen. Diese Männer meinten selbstkritisch, dass sie wohl unvernünftig seien, weil sie sich selbst schaden würden.

Doch sie waren nicht unvernünftig. Sie verhielten sich sehr wohl vernünftig, weil ihre Handlungen ihrer Gefühlssituation entsprachen. Aufgrund von Kindheitserlebnissen wie Verwöhnung, Verzärtelung und Bevorzugung als männliche Nachkommen konnten sie die Frau nicht bejahen und wollten mehr gelten als sie.

Auch hier haben Eltern in ihrer Unwissenheit den Fehler gemacht, die Söhne gegenüber den weiblichen Geschwistern zu bevorzugen und sie zu verwöhnen. Damit haben sie sie als Erwachsene in diese Situation gebracht. Doch anstatt den Eltern böse zu sein und ihnen zu zürnen, ist es sehr wichtig, sie zu verstehen und sich mit ihnen zu versöhnen.

Deshalb wurde den jungen Männern empfohlen, Kraft und Mut aufzubringen, um sich mit Hilfe eines psychotherapeutischen Fachmanns der unbewussten Gefühle aus der Kindheit bewusst zu werden, damit die Liebesbeziehungen gerettet werden kann. Da sie nichts für ihr irritiertes Verhalten konnten – es war kein freier Wille –, sollten sie sich auch nicht die Schuld geben. Sie sollten sich aber bewusstwerden, dass hier etwas vorliegt, dessen sie nicht Herr werden können.

Auch bei diesen Männern musste zuerst eine gesunde Gefühlsgrundlage entstehen, bevor sie sich mit der Frau und allen anderen Menschen auf eine Stufe stellen konnten.

Forderungen an die Erziehung

Da wir Menschen das Produkt der Erlebnisse in der Kindheit sind, haben wir als Erwachsene nur das zur Verfügung, was wir bei unseren Beziehungspersonen an Vertrauen, Mut und Kenntnissen erlebt und erfahren haben. Die Eltern und Geschwister sind unsere Welt. Hier bekommen die Kinder sozusagen ihren Fahrplan, den Kompass für das Leben. Wenn sie dann in den Kindergarten kommen, wissen sie schon Bescheid, haben sie bereits eine Einstellung und eine Meinung über sich selbst und die anderen Menschen.

Erziehungsmethoden der Vergangenheit schufen den Menschentypus, der die Tragödie der Geschichte verursachen konnte. Das autoritäre Prinzip, jahrhundertelang als fraglos-gültige Grundlage des erzieherischen Verhaltens angesehen, drosselte bereits in den Kindheitsjahren das Gemeinschaftsgefühl der Menschen und stattete sie mit jener Aggressionsbereitschaft aus, durch die eine gewalttätige Welt im Zustand der Gewalttätigkeit verharren konnte.

Durch die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Psychologie wissen wir heute, dass der Mensch in einem derartigen Maße das Produkt seiner Erziehung ist, dass man die Hoffnung hegen darf, durch bessere, das heißt, psychologische Erziehungsmethoden Menschen heranbilden zu können, die gegen die Verstrickungen des Machtwahns gefeit sein werden. Indem die Pädagogik in Elternhaus und Schule auf ausschließliche Autorität und auf Gewaltanwendung verzichtet und sich mit wahrem Verständnis dem kindlichen Seelenleben anpasst, wird sie einen Menschentypus hervorbringen, der keine „Untertanen-Mentalität“ besitzt und darum für die Machthaber in unserer Welt kein gefügiges Werkzeug mehr sein wird.

Auch die Schule hat eine große Aufgabe und Verantwortung. In erster Linie hat sie die Überzeugung zu vermitteln, dass erfahrungsgemäßes Wissen, Verstand und Vernunft immer und überall den Vorrang haben. Sie sollte der Jugend von Anfang an Werte vermitteln, die unserem Heute entsprechen und die auch im Erwachsenenalter noch Gültigkeit haben. Darüber hinaus sollte sie den jungen Menschen eine psychologische Bildung vermittelt, das Wissen über sie selbst und ihre Belange.

Des Weiteren hat die Schule die eigene Kraft und das Selbstbewusstsein der jungen Menschen zu stärken und vom eigenen geliebten Seelenheil abzulenken auf das Heil der Allgemeinheit, auf die Notwendigkeit der Hilfsbereitschaft.

Die Demokratisierung der Erziehung, aufgefasst als Achtung vor der kindlichen Persönlichkeit und als freundschaftliche Zuwendung des Erziehers zu seinem Zögling auf der Basis konsequenter Führung ohne Zwang und Gewalt ist dazu berufen, einen der wertvollsten Beiträge zum Aufbau einer humanen Gesellschaftsordnung zu leisten.

Die unbewussten Gefühlregungen aus der Kindheit, die der Erwachsene vergessen hat und die ihn oft nicht froh werden lassen, kann er bei einem fähigen Tiefenpsychologen psychotherapeutisch abklären und sich so kennen lernen. Es ist immer möglich, aus alten negativen Gedanken und Gefühlen herauszuwachsen und schließlich zu entscheiden, ob man in den Krieg ziehen will – oder besser nicht.

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Dr. Rudolf Lothar Hänsel ist Doktor der Pädagogik (Dr. paed.) und Diplom-Psychologe (Dipl.-Psych.). Viele Jahrzehnte war er Lehrer (Rektor) und bildete pädagogische Fachkräfte fort. Als Pensionär arbeitete er als Psychotherapeut in eigener Praxis.

Noten 

1. https://www.globalresearch.ca/youth-died-before-they-could-begin-live/5776057

2. http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28358&csshttps://www.globalresearch.ca/how-with-whom-can-we-reorganise-society/5800536

Das Bild stammt aus The Unz Review


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Articles by: Dr. Rudolf Hänsel

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