Menschliches Gemeinschaftsgefühl und Geist der Verantwortlichkeit werden Machtgier und Gewalttätigkeit überwinden

Gemeinschaftsgefühl – unerschütterliche Logik menschlichen Zusammenlebens

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Die Ereignisse der beiden letzten Monate und Jahre – das Verhängnis staatlicher Willkürmaßnahmen, Massenterror, Diktatur und Krieg – haben uns erneut einen gründlichen Anschauungsunterricht über die geschichtliche Bedeutung der Gewalttätigkeit vermittelt. Obwohl Fortschritte in der zivilisatorischen Entwicklung unbestreitbar sind, scheinen wir uns hinsichtlich der Bändigung der Gewalt noch gänzlich an den Anfängen der Humanisierung zu befinden.  Wir führen Krieg, aber keiner – keine Mutter, kein Vater, kein Professor – sagt der Jugend, dass sie nicht in den Krieg ziehen soll: „Geht‘s nicht!“

Was für die Menschheit seit jeher gilt, behält auch in den gegenwärtigen „Umbruch-Zeiten“ seine Gültigkeit: Das menschliche Gemeinschaftsgefühl und der Geist der Verantwortlichkeit werden diese unbeschreibliche Gewalttätigkeit beenden. Hätten unsere Vorfahren den Gemeinsinn und das Gefühl des Miteinanders nicht zum Leitmotiv ihres Handelns gemacht, gäbe es die Menschheit nicht mehr. Diese Idee muss auch an die Jugend durchdringen.

Wird es möglich sein, der Gewalt Herr zu werden?

Maßlose und gemäßigte Brutalität, historische Faktoren ersten Ranges, prägen auch unserer heutigen Zeit ihren Stempel auf. Machtstreben in Wirtschaft und Politik treibt uns immer wieder in Katastrophen hinein, in denen der Reichtum unserer Kultur verschleudert und die Ernten unserer Zivilisation zerstört werden. Die Machtgier derer, die innerhalb der Völker als Obrigkeit fungieren und durch ihre soziale Stellung vom Geist der Gewalt durchdrungen sind, führt zu schrecklichen kriegerischen Auseinandersetzungen, in denen die Völker zugunsten ihrer Herren und Ausbeuter verbluten. Diese verhängnisvollen Auswirkungen berühren zwar unseren Lebensnerv, aber wir sind lethargisch genug, um uns durch sie nicht aufrütteln zu lassen.

Deshalb drängt sich die Frage auf: Wird es möglich sein, der Gewalt Herr zu werden, sie auszuschalten aus den Beziehungen der Einzelnen und der Gemeinschaften? Oder sind wir dazu verurteilt, der periodischen Invasion der Barbarei machtlos zuzusehen? Philosophen, Psychologen, Soziologen und Geisteswissenschaftler, die hier nichts beizutragen haben, richten sich selbst: die Not der Menschen rührt nicht an ihr Herz. Und damit wird all ihre Weisheit und Wissenschaft degradiert zu einem selbstgefälligen Spiel des Verstandes, das keine Verbindlichkeit kennt.

Wenn wir in einer Welt leben, in der Krieg und Verbrechen an der Tagesordnung sind, sind wir doch auch Mörder und Verbrecher, denn die Welt ist so, wie wir sie eingerichtet oder – in Bezug auf bereits bestehende Verhältnisse – geduldet haben. Keiner kann sich der Verantwortung entziehen. Wir sind immer mitschuldig, selbst dann, wenn wir Opfer sind. Tausendfaches Unrecht geschieht auch in unserer nächsten Nähe, aber wir empören uns nicht, wir verteidigen nicht die Schwachen und helfen nicht dem Hilflosen. Und indem wir nicht gegen sie kämpfen, billigen wir die Gewalttätigkeit. Doch die Krankheit, die wir am anderen nicht versucht haben zu heilen, rafft uns eines Tages selbst hinweg.

Das Prinzip der „gegenseitigen Hilfe“

Die Forschung hat inzwischen erwiesen, dass im Tierreich nicht nur der „struggle for life“, sondern auch das Prinzip der „gegenseitigen Hilfe“ (Kropotkin) wirksam ist. Die höher organisierten Lebewesen leben in Verbänden, Gruppen und Herden; in ihnen hat sich ein Herdeninstinkt herausgebildet, der mitunter die Arterhaltung über die Selbsterhaltung stellt.

In der Menschenwelt spielen soziale Gefühle und gemeinschaftliche Verbundenheit sicherlich eine ebenso große Rolle wie der Wille zur Macht und der Eigennutz. Die Ideologie der Macht ist ein fürchterlicher Irrtum des Menschengeschlechts, der scheinbar unaufhaltsam die Atmosphäre unserer Kultur vergiftet. Doch es ist falsch, den Menschen als Raubtier zu definieren; denn der Mensch ist der Hingabe und der Selbstaufopferung fähig. Die Theorie des „Homo homini lupus“ ist irreführend und gefährlich. Sie zieht vor allem die Autokraten und das autoritäre Gemüt an, das in ihr die Rechtfertigung für sein Machtstreben erblickt.

Das Gemeinschaftsgefühl – ein Geschenk der Evolution

Die Kulturentwicklung besteht im Wesentlichen darin, dass sich die Stimme des Menschheitsgewissens mehr und mehr Gehör verschafft und dass der Geist der Verantwortlichkeit an die Stelle der Gewalttätigkeit tritt. Was wir als ethische Errungenschaften bezeichnen, als Aufschwung von Sitte und Recht, ist das Anwachsen des menschlichen Gemeinschaftsgefühls, das Wissen um die Zusammengehörigkeit aller, die Menschenantlitz tragen. Aus der Einsicht in diesen Zusammenhang erwuchsen die Lehren der sittlichen Führer der Menschheit, die Weisheit des Laotse, das Gebot der Nächstenliebe und die unzähligen Formen des gesellschaftlichen Lebens und Verhaltens, in denen sich der Gemeinsinn bekundet.

Die Menschheit steht unter dem Gesetz, dass wir zusammenhalten müssen und genötigt sind, einander die Hände zu reichen. Überall kommt es auf den Gemeinsinn an, auf das Gefühl der Zusammengehörigkeit, des Miteinanderseins. Der Abbau der Machtgier und des Gewaltstrebens ist nicht ein Postulat erbaulicher Moralpredigten: er ist die einfache Notwendigkeit des gemeinschaftlichen Lebens. Man kann die Mahnrufe des menschlichen Gemeinschaftsgefühls wohl unterdrücken; gänzlich ausmerzen kann man sie nie, denn das Geschenk der Evolution besteht im sittlichen Bewusstsein des Einzelnen, in der Einsicht in die Verantwortung aller gegenüber allen.

Unsere Aufgabe für die nahe und ferne Zukunft ist speziell unter dem Eindruck der gegenwärtigen „Umbrüche“ die Pflege und Verstärkung des Gemeinschaftsgefühls. „Gemeinschaftsgefühl“, „Sozialgefühl“ und „Verbundenheitsgefühl“ sind die Grundlage der Individualpsychologie von Alfred Adler. Kein Mittel darf uns zu gering sein, keine Anstrengung zu mühsam, um den Menschen besser in das soziale Gefüge einzuordnen, ihn zu lehren, dass Gewalt und Machtgier ihn nur ins Verhängnis führen können.

Aufklärung und Erziehung 

Da die Politik in den Köpfen und Herzen der Menschen vorbereitet wird und die Menschen morgen so handeln, wie sie heute denken, deshalb ist die Aufklärung ein weiteres Anliegen, dessen Wichtigkeit nicht überschätzt werden kann. Der Sinn der aufklärerischen Bemühungen ist die Reinigung des menschlichen Bewusstseins von individuellen und kollektiven Vorurteilen, die von den Massenmedien unaufhörlich geschürt werden. Der Verstand kann durch Furcht, Hoffnung und Interessen aller Art irregeführt werden und so zu Lebensfremdheit und Selbsttäuschung führen.

Die Zerstörung von Vorurteilen bedeutet deshalb mehr als ein bloß intellektuelles Unterfangen: der aufgeklärte Verstand ist fähig, gesunde Lebensziele ins Auge zu fassen. Die Zukunft unserer Kultur wird wesentlich davon abhängen, ob es genug „Aufklärer“ geben wird, die imstande sein werden, den breiten Volksmassen jene Vorurteile zu nehmen, die der ideologische Hintergrund der vergangenen und gegenwärtigen Menschheitskatastrophen sind.

In einer Zeit, in der die Bedrohung durch die Atombombe die Selbstvernichtung der Menschheit als möglich erscheinen lässt, bedürfen wir mehr denn je der freien Geister, die uns lehren, was Wahrheit und was Lüge ist. Somit hat der Intellektuelle eine viel größere Verantwortung als man gemeinhin wahrhaben möchte, denn seine Pflicht wäre es, für die anderen Menschen zu denken (Romain Rolland) und mit der Freiheit des Denkens die Freiheit überhaupt zu proklamieren.

Wichtiger noch als Aufklärung ist das Problem der Erziehung. Die tiefenpsychologische Einsicht hat uns die Erziehung in ihrer ungeheuren Tragweite deutlich gemacht. Das autoritäre Prinzip, jahrhundertelang als fraglos-gültige Grundlage des erzieherischen Verhaltens angesehen, drosselte bereits in den Kindheitsjahren das Gemeinschaftsgefühl der Menschen. Wir wissen heute, dass der Mensch in einem derartigen Maße das Produkt seiner Erziehung ist, dass wir die Hoffnung haben, durch psychologische Erziehungsmethoden Menschen heranbilden zu können, die gegen die Verstrickungen des Machtwahns gefeit sein werden.

Indem die Pädagogik in Elternhaus und Schule auf übertriebene Autorität und Gewaltanwendung verzichtet und sich mit wahrem Verständnis dem kindlichen Seelenleben widmet, wird sie einen Menschentypus hervorbringen, der keine „Untertanen-Mentalität“ besitzt und darum für die Machthaber in unserer Welt kein gefügiges Werkzeug mehr sein wird.

Beispiel selbstloser Hilfe während drückender Sanktionen

Die Regierung in Belgrad lehnt als einzige europäische Regierung Sanktionen gegen das befreundete Russland trotz erheblichem Druck aus Washington, Brüssel und Berlin ab. Die serbische Bevölkerung unterstützt diese Entscheidung voll. Ein wesentlicher Grund sind die leidvollen eigenen Erfahrungen mit Sanktionen während der 90er Jahre.

Nach Auskunft meiner Ehefrau waren zu jener Zeit alle Serben auf die Hilfe ihrer Mitmenschen angewiesen und boten sich gegenseitig Essen, Kleidung und Dinge an, die sie selbst nicht dringend benötigten. Da Hausfrauen am Telefon auch Rezepte austauschten, wurde die Geschichte des „Embargo-Kuchens“ zum Hit.

Ein weiteres Beispiel ist die Geschichte des 83-jährigen Großvaters, der mit der Familie befreundet war und in seinem Bauernhaus auf dem Land zwei Kühe hielt. Drei Jahre lang stand er zu jeder Jahreszeit morgens um vier Uhr auf, molk die Kühe und schickte zwei Liter frische Milch mit dem einzigen 5-Uhr-Bus zu den drei kleinen Ekelkindern seines Freundes in die nahegelegene Stadt, damit diese die schikanösen Sanktionen gesund überleben.

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Dr. Rudolf Lothar Hänsel ist Lehrer (Rektor a. D.), Doktor der Pädagogik (Dr. paed.) und Diplom-Psychologe (Schwerpunkte: Klinische-, Pädagogische- und Medien-Psychologie). Als Pensionär arbeitete er viele Jahre als Psychotherapeut in eigener Praxis. In seinen Büchern und pädagogisch-psychologischen Fachartikeln fordert er eine bewusste ethisch-moralische Werteerziehung und eine Erziehung zum Gemeinsinn und Frieden.

He is a regular contributor to Global Research.

Featured image is from Forbes


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Articles by: Dr. Rudolf Hänsel

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