Steht Washington hinter der Machtübernahme in Ägypten?

Hat das Pentagon „grünes Licht“ gegeben?

[US-Verteidigungsminister] Hagel und [US-Generalstabschef] Dempsey bewegten sich auf einem schmalen Grat … während sie Bedenken äußerten und gleichzeitig versuchten, den Eindruck zu vermieden, dass die USA die Geschehenisse im Hintergrund manipulierte.“ (Military.com 3.7.2013)

Die Proteste sind gegen die USA und ihre Stellvertreterregierung unter der Muslim-Bruderschaft gerichtet.

Die Muslim-Bruderschaft wurden mit Unterstützung aus Washington eher als „Ersatz“ denn als „Alternative“ zu Hosni Mubarak in die Regierung gebracht. Dieser hatte seit Anbeginn seiner Präsidentschaft die Befehle aus Washington gewissenhaft ausgeführt.

Während die bewaffneten Streitkräfte die Muslim-Bruderschaft zu Fall gebracht haben, ist der Machtwechsel in letzter Instanz dazu da, die Protestbewegung in eine Richtung hin zu lenken, die das Entstehen einer „echten Volksregierung“ verhindert. Der Sturz von Präsident Mohamed Mursi wurde nicht entgegen US-amerikanischen Interessen ausgeführt, er war initiiert, um die „Kontinuität“ zugunsten Washingtons zu garantieren.

„Die Demonstranten trugen handgemachte Poster mit sich, die Obama und seine zur Muslim-Bruderschaft positiv eingestellte Botschafterin in Kairo, Anne Patterson, denunzierten.“ (F. William Engdahl, Global Research, 4.7.2013)

Die Muslim-Bruderschaft und die CIA

Westliche Geheimdienste haben eine lange gemeinsame Geschichte mit der Bruderschaft. Großbritaniens Unterstützung der Bruderschaft durch den britischen Secret Service reicht bis in die 1940er Jahre zurück. Seit 1950er Jahren floss dem ehemaligen Geheimdienstbeamten William Bear zufolge „von der CIA Unterstützung zur Muslim-Bruderschaft“, undzwar „aufgrund ihrer lobenswerten Fähigkeit, Nasser zu stürzen.“ (1954-1970: CIA und die Muslim-Bruderschaft verbünden sich, um sich dem ägyptischen Präsidenten Nasser entgegenzustellen)

Diese verdeckten Verbindungen zur CIA wurden während Hosni Mubaraks Regierung aufrechterhalten.

Seit dem Beginn des „arabischen Frühlings“ war es das Ziel der Obama-Regierung,  sekulare Regierungen im Nahen Osten und Nordafrika zu unterminieren und „islamische Staaten“ zu installieren, die den geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen der USA dienen sollen.

„Bittere ökonomische Medizin“

Die Protestbewegung gegen Mubarak Anfang 2011 war eine Antwort auf die zerstörerischen Folgen der IWF-Reformen. Auf der Höhe des Golkrieges Anfang 1991 initiiert haben diese Reformen – die sich über eine Periode von über 20 Jahren erstrecken – dazu gedient, das ägyptische Volk zu verarmen und die ägyptische Wirtschaft „dem Einstrom ausländischer Investoren zu öffnen“.

Das Niltal, über 3000 Jahre lang die Kornkammer Ägyptens, wurde zerstört, um Nahrungsimporte aus den USA und der Europäischen Union zu stärken.

Die resultierende Deregulation von Nahrungspreisen und massenhafte Privatisierung sowie Austeritätsmaßnahmenhaben zu Armut und Massenarbeitslosigkeit geführt. Im Gegenzug kollabierten Sozialprogramme, Ägyptens Wirtschafts- und Finanzsystem wurde destabilisiert.

Kontinuität im Sinne neoliberaler ökonomischer Reformen ist ein zentraler Punkt des US-gesponserten Regimewechsels. Mursis Zugang zur Präsidentschaft war an die Einwilligung in die „ökonomische Medizin“ des IWF geknüpft.

Im August 2012 sagte die IWF-Geschäftsleiterin Christine Lagarde offen: „Der IWF wird Ägypten bei dieser herausfordernden Reise begleiten … Es ist eine ägyptische Reise und der IWF ist ein Partner auf dieser Reise.“

„Wir sind von der Strategie, die Präsident Mursi und Premierminister Kandil bei unserem heutigen Meeting vorgeschlagen haben, beeindruckt“, sagte Lagarde bei einer Pressekonferenz mit Kandil. (IWF, 22.8.2012)

Ein neues IWF-Paket voller (tödlicher) makroökonomischer Reformen wurde mit dem Ausblick darauf, „Ägyptens politischen und ökonomischen Übergang zu bewältigen“, erlassen. Der daraus resultierende IWF-gesponserte „Übergang“, von Ägyptens äußeren Kreditgebern aufgenötigt, hat die ökonomische und soziale Krise verschlimmert anstatt sie abzuschwächen.

Die soziale Lage hat sich seit dem Ende Hosni Mubaraks drastisch verschlechtert. Die Massenproteste gegen Mursi war zu großen Teilen dadurch motiviert, dass die von Washington und der Wall Street aufgezwungenen makroökonomischen Reformen aus der Mubarak-Ära unter ihm weiterliefen und sich der Prozess der Verarmung weiter zuspitzte.

Die Rolle der bewaffneten Streitkräfte: „Grünes Licht“ vom Pentagon?

In den Medien wurden die ägyptischen Streitkräfte als „Unterstützer“ der Proteste dargestellt, ohne dass ihre enge Verbindung zwischen den Anführern des Militärputsches und ihren US-amerikanischen Partnern erwähnt worden wäre.

Die Tatsache, dass Teile der Massenbewegung danach riefen, das Militär solle eine „unterstützende Rolle“ einnehmen, ist ein offensichtlicher Trick:

„Das ist die Nachricht, die das Militär aus dem ganzen städtischen Ägypten, den Städten und den Dörfern, erhielt; Es nahm die Einladung wahr, verstand ihre Intention, akzeptierte ihre Notwendigkeit und näherte sich der nationalen Szenerie, sich an alle Grenzen der Pflicht, der Verantwortung und der Ehrlichkeit haltend.“

Bekanntermaßen und dokumentierterweise wurde die Massenbewegung infiltriert. Teile der Mursi-Opposition sind von NED (National Endowment for Democracy) und Freedom House unterstützt (Episteme-Notiz: NED ist eine Nicht-Regierungs-Organisation, die auf der ganzen Welt unter dem Deckmantel, Demokratie zu fördern, US-amerikanische Interessen durchsetzt. Weitere Infos findest du hier). Die Kifaya-Bewegung für Zivilgesellschaft ist vom in den USA ansässigen International Center for Non-Violent Conflict gefördert.

Die Rolle der Streitkräfte ist es nicht, eine Graswurzelbewegung zu schützen. Ganz im Gegenteil: Das Ziel ist es, den Aufstand zu manipulieren und Ablehnung gegenüber Washington zu unterdrücken.

Ziel des Militärputsches ist es, zu versichern, dass der Fall der Muslim-Bruderschafts-Regierung nicht in einem politischen Übergang resultiert, der die Kontrolle der USA über den ägyptischen Staat und dessen Militär unterminiert.

Lasst uns alle Illusionen ablegen. Während es nennenswerte Konflikte und Entzweiungen innerhalb des Militärs gibt, nimmt die oberste Führungsschicht ihre Befehle vom Pentagon entgegen.

Verteidigungsminister Abdul Fatah Al-Sisi (auf der Linken), der die Machtübernahme gegen Mursi geführt hat, hat seinen Abschluss auf dem US-Kriegscollege in Carlisle, Pennsylvania gemacht.

General Al Sisi stand seit Anbeginn der Proteste in ständigem telefonischem Kontakt mit US-Verteidigungsminister Chuck Hagel (auf der rechten zusammen mit Al Sisi). Presseberichte bestätigen, dass er ihn in den Tagen vor der Machtübernahme mehrere Male konsultierte. Es ist unwahrscheinlich, dass General Al Sisi ohne „grünes Licht“ aus dem Pentagon gehandelt hätte.

„Hagel rief Al-Sisi letzten Donnerstag (30.6.2013) an, als die Proteste einen zunehmend anti-amerikanischen Ton annahmen und sprach am Dienstag (2.7.2013) noch einmal mit ihm, nachdem Al-Sisi ein Ultimatum gestellt hatte und davor warnte, dass das Militär handeln würde, wenn Mursi keine Zugeständnisse macht.“ (Military.com)

Im Gegenzug war General Martin Dempsey, Vorsitzender des Generalstab, in ständigem Kontakt mit General Sedki Sobhi, Stabschef des Obersten Gremiums der Streitkräfte (SCAF):

„Pentagon-Mitarbeiter lehnten es ab, spezifische Informationen über die Konversationen zwischen Hagel und Al-Sisi, aber Hauptpressesprecher des Pentagon George Little sagte, dass ‚US-Mitarbeiter auf allen Ebenen des Militärs haben klar gemacht, dass wir den demokratischen Prozess in Ägypten unterstützen und dass wir hoffen, diese Periode der Spannung kann in einer friedlichen Weise aufgelöst werden und dass Gewalt verhindert werden kann.‘ (Military.com)

Military.com zufolge bewegten sich Hagel und Dempsey „auf einem schmalen Grat“ … „während sie Bedenken äußerten und gleichzeitig versuchten, den Eindruck zu vermieden, dass die USA die Geschehenisse im Hintergrund manipulierte.“

Ägypten ist der größte Rezipient von US-Militärhilfen hinter Israel.

Das ägyptische Militär ist vom Pentagon kontrolliert.

In den Worten von General Anthony Zinni, ehemaliger Kommandant des US Central Command (CENTCOM):

„Ägypten ist das wichtigste Land in meinem Zuständigkeitsbereich undzwar wegen des Zugangs, den es mir zur Region gibt.“

Am 4. Juli veröffentlichte Michel Chossudovsky auf globalresearch.ca (Originalartikel Was Washington Behind Egypt’s Coup d’Etat?)


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About the author:

Michel Chossudovsky is an award-winning author, Professor of Economics (emeritus) at the University of Ottawa, Founder and Director of the Centre for Research on Globalization (CRG), Montreal, Editor of Global Research. He has taught as visiting professor in Western Europe, Southeast Asia, the Pacific and Latin America. He has served as economic adviser to governments of developing countries and has acted as a consultant for several international organizations. He is the author of 13 books. He is a contributor to the Encyclopaedia Britannica. His writings have been published in more than twenty languages. In 2014, he was awarded the Gold Medal for Merit of the Republic of Serbia for his writings on NATO's war of aggression against Yugoslavia. He can be reached at [email protected]

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