Karadzic-Prozeß: Keine Dokumente über deutsche

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Die deutsche Regierung geht auf Konfrontationskurs mit dem Jugoslawien-Tribunal (ICTY) in Den Haag. Bis zum 18. Juni hätte Berlin Dokumente zum Bosnien-Krieg (1992–1995) herausrücken müssen. Diesem Antrag des Angeklagten Radovan Karadzic, ehemals Präsident der bosnischen Repubika Srpska, hatten die ICTY-Richter am 19. Mai stattgegeben. Wann die Reaktion der Bundesregierung in den Niederlanden einging, ist unklar. Auf jW-Anfrage beim in dieser Angelegenheit federführenden Bundesjustizministeriums wurde erklärt, daß man »auf alle Fälle vor Ablauf der Frist« geantwortet habe. Laut ICTY selbst liegt die Antwort seit dem 21. Juni vor. Fest steht aber, daß Deutschland keine der angeforderten Dokumente übergeben hat. Laut Karadzic-Anwalt Goran Petronijevic geschah dies mit Verweis auf nationale Sicherheitsinteressen. Berlins Reaktion käme einer »pauschalen Totalverweigerung« gleich. Das Bundesjustizministerium behauptete, es gebe keine entsprechenden Unterlagen.

Tatsächlich geht es um brisante Materialien, die sich mit Waffenlieferungen an die bosnisch-muslimische Kriegspartei in den Wochen und Monaten vor dem Juli 1995 befassen. Das ist genau der Zeitraum vor jenem Ereignis, das weithin als »serbischer Völkermord« an bis zu 8000 unbewaffneten männlichen muslimischen Zivilisten gilt, und für das Karadzic verantwortlich gemacht wird. Außerdem sollten Informationen der Parlamentarischen Kontrollkommission den Anklagepunkt der »Geiselhaft« von zahlreichen UNO-Beamten entkräften. Die Gefangenen seien mitnichten neutrale Beobachter gewesen, sondern hätten an der Seite der Kriegsgegner der Serben agiert.

Schon vor Monaten hatte die deutsche Regierung darauf gepocht, daß die von Karadzic beantragten Informationen nichts mit dem Prozeß zu tun hätten. Waffenlieferungen an die bosnisch-muslimische Seite unter Bruch des UNO-Embargos gehörten zum Kriegskontext – und der soll, geht es nach den NATO-Staaten, im Gericht keine Rolle spielen. Die Richter sahen das offenbar anders und hielten Karadzics Begründungen mehrheitlich für nachvollziehbar. Mit der Blockade Deutschlands werden sie sich vermutlich nicht zufriedengeben.

Gegenüber jW meinte Petronijevic, daß der Angeklagte nunmehr Berlin in Bedrängnis bringe. Gerade Deutschland habe eine wichtige Rolle bei der Zerschlagung Jugoslawiens gespielt. Die Anerkennung Kroatiens Ende 1991 gehörte dazu ebenso wie die Verhinderung jeglicher Verhandlungslösungen. Ein blutiger Krieg folgte. Auch im Falle Bosniens mischte neben den USA die Bundesregierung kräftig mit.

Indes beweisen alle bisherigen Erfahrungen mit dem ICTY, dessen Einrichtung maßgeblich auf Druck von USA und BRD im UN-Sicherheitsrat erzwungen wurde, daß bei den Richtern die Interessen und der Schutz seiner Gründer obenan stehen. Das gilt auch für den Karadzic-Prozeß. Trotzdem konnte sich der Angeklagte bisher durchaus erfolgreich in Szene setzen – wie im Kampf gegen die finanziellen Kürzungen seiner Verteidigung. Auch machte er nach seiner Auslieferung Ende Juli 2008 an das ICTY publik, daß der hochrangige US-Diplomat Richard Holbrooke ihm 1996 in einem Deal Straffreiheit zugesichert hatte. Er erreichte, daß dieser
Punkt Gegenstand mehrerer Anhörungen war.


Articles by: Cathrin Schütz

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