König George – Die Direktive des Präsidenten zur Sicherheit des Heimatlandes:Ein Sprengsatz für die Verfassung

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Während sich die Nation fragte, ob der Kongreß seiner verfassungsmäßigen Verpflichtung nachkommen und die Gelder für den Krieg kürzen würde, montierte Bush in aller Stille einen Sprengsatz an der Verfassung, der von den Konzernmedien praktisch unbeachtet blieb.

Die Direktive des Präsidenten zur Nationalen Sicherheit und zur Sicherheit des Heimatlandes, unterzeichnet am 9. Mai 2007, legt alle Regierungsgewalt in die Hand des Präsidenten und schafft die von der Verfassung vorgesehene Kontrolle und Machtbalance zwischen den Gewalten praktisch ab.

Wenn ein „katastrophaler Notfall“ eintritt – der sowohl ein Terroranschlag als  auch eine Naturkatastrophe sein kann – bestimmt Bushs neue Direktive, daß „der Präsident die Aktivitäten der Bundesregierung leitet, um eine verfassungsmäßige Regierung zu gewährleisten.“

Was ist mit den anderen beiden gleichberechtigten Teilen der Regierungsgewalt? Die Direktive speist sie ab, indem sie von „kooperativen Bemühungen“ der drei Gewalten spricht, die „vom Präsidenten im Rahmen der Hochachtung (comity) im Hinblick auf den legislativen und den rechtsprechenden Zweig der Regierung und mit angemessenem Respekt vor der verfassungsmäßigen Teilung der Gewalten koordiniert werden.“ Der Vizepräsident hätte  die Aufgabe, bei der Umsetzung der Maßgaben zu helfen.

„Hochachtung“(comity) heißt soviel wie Höflichkeit, und der Präsident hätte zu entscheiden, welche Art von Respekt den anderen beiden Teilen der Regierungsgewalt gegenüber „angemessen“ wäre. Diese Präsidentendirektive ist eine unverschämter Machtanmaßung von Bush, um die „einheitliche Exekutivgewalt“ (des Präsidenten, A.d.Ü) zu institutionalisieren.

Hinter der scheinbar harmlosen Formulierung von der „einheitlichen Exekutivgewalt“ verbirgt sich in Wirklichkeit eine radikale und ultrarechte Auslegung der dem Präsidenten zustehenden Machtbefugnisse.  Die von der konservativen Föderalen Gesellschaft (Federalist Society) propagierte Doktrin von der einheitlichen Exekutivgewalt legt alle Macht in die Hand des Präsidenten und schirmt ihn von jeder Kontrolle durch den Kongreß oder die Rechtsprechung ab.

In einer Rede vor der Föderalen Gesellschaft im November 2000 sagte der damalige Richter Samuel Alito, daß´die Verfassung „den Präsidenten zum Leiter der Exekutive macht, aber tatsächlich darüber hinausgeht. Der Präsident hat nicht nur einen Teil der exekutiven Gewalt inne, sondern die ausführende Gewalt insgesamt – die gesamte Macht.“ (unitary executive bezeichnet sowohl die einheitliche Exekutivgewalt, als auch die Führungskraft bzw. den Führer, der ihr vorsteht. Auf Deutsch ließe sich „unitary executive“ daher am besten mit  „der Führer“ übersetzen. A.d.Ü.)

Diese „Unitarier“ behaupten, daß alle Bundesbehörden, auch diejenigen, die nach der Verfassung vom Kongreß geschaffen wurden, dem Chef der Exekutive, also dem Präsidenten unterstehen. Das bedeutet, daß Bush Behörden wie Bundesbehörde für Kommunikation, die Verwaltungsbehörde für Lebensmittel und Medikamente (Food and Drug Administration), den Rat der Zentralbank und so weiter, auflösen könnte, wenn sie ihm mißfielen.

Tatsächlich hat Bush einen Erlaß unterzeichnet, nach dem jede Bundesbehörde eine Aufsichtsabteilung haben muß, die von einem politisch bestellten Beauftragten geleitet wird. Verbraucherschützer sorgten sich, daß diese Direktive darauf abzielte, die Umweltschutzbehörde und die Behörde für Arbeitssicherheit und Gesundheit zu schwächen. Das Dogma von der einheitlichen Exekutivgewalt steht für die frechen Mißachtung der beiden anderen Bereiche der Regierungsgewalt durch den Präsidenten.

Die Doktrin nahm kurz nach den Anschlägen vom 11. September Form an. Am 25. September 2001 gebrauchte der frühere stellvertretende Generalstaatsanwalt John Yoo die Worte „einheitliche Exekutivgewalt“ in einem Memo, daß er für das Weiße Haus schrieb: „Die Konzentration der Regierungsgewalt in der Hand  des Präsidenten allein ist besonders entscheidend in Fragen der nationalen Verteidigung, von Krieg und Außenpolitik. Hier kann der Führer der einheitlichen Exekutivgewalt Bedrohungen einschätzen, Politikalternativen abwägen und nationale Reserven mit einer Geschwindigkeit mobilisieren, die jedem anderen Bereich der Regierungsgewalt weit überlegen ist.“ Sechs Wochen später begann Bush, den Ausdruck in seinen Kommentaren zu den von ihm unterzeichneten Gesetzen  zu benutzen.

Bis zum 22. Dezember 2006 hat Bush die Worte „einheitliche Exekutivgewalt“ (oder „Führer) 145 Mal in seinen Unterzeichnungskommentaren und Verordnungen benutzt. Yoo, einer der Chefarchitekten der unbegrenzten Macht der Exekutive, schrieb in seinen Memoranden für Bush, daß dieser als Oberbefehlshaber (Commander in Chief) zu jeder Zeit Krieg erklären könne, wenn er von einer entsprechenden Bedrohung überzeugt sei, und daß er auch nicht an die Genfer Konventionen  gebunden sei.

In einer Diskussion mit dem Professor Doug Cassel von Notre Dame im Jahr 2005 (Universität in Indiana. A.d.Ü.) argumentierte Yoo, es gebe kein Gesetz, daß den Präsidenten hindern könne, die Folterung des kleinen Kindes eines Verdächtigen anzuordnen, und gar zu befehlen, daß diesem die Hoden zerquetscht werden sollten.

Die Theorie von der einheitlichen Exekutivgewalt ist auch schon in Ansichten des Obersten Bundesgerichtes aufgetaucht. In seiner abweichenden Einzelmeinung in der Urteilsbegründung Hamdi gegen Rumsfeld zitierte Richter Clarence Thomas „die strukturellen Vorteile eines Führers der vereinheitlichten Exekutivgewalt.“ Er stimmte nicht mit dem Gericht überein, daß ein ordentlicher Prozeß, der einem amerikanischen Bürger gemacht wird, der in den Vereinigtebn Staaten als feindlicher Kämpfer gefangengehalten wird, eine wirkliche Gelegenheit beinhalten muß, den Tatsachen, die die Gefangenschaft begründen, vor einer neutralen Entscheidungsinstanz zu widersprechen. Thomas schrieb: „Natürlich hat der Kongreß eine grundsätzliche und wesentliche Rolle sowohl in auswärtigen Angelegenheiten als auch in Fragen der nationalen Sicherheit. Aber es ist entscheidend anzuerkennen, daß die Einmischung der Judikative in diese Fragen das Ziel, die oberste Verantwortung in diesen Fragen dem Führer (unitary executive) zuzuordnen, zunichte macht.“

Die Theorie von Richter Thomas geht nicht auf die Frage ein, warum unsere Verfassung drei gleichberechtigte Säulen der Gegierungsgewalt vorsieht.

Im Jahr 1926 erklärte Richter Louis Brandeis die Bedeutung der verfassungsmäßigen Trennung der Gewalten. Er schrieb: „Die Lehre von der Gewaltenteilung wurde von der Versammlung von 1787 angenommen, nicht um die Effizienz zu befördern, sondern um die willkürliche Ausübung der Macht auszuschließen. Das Ziel war nicht, Reibungsverluste zu vermeiden, sondern das Volk durch die durch die Verteilung der Regierungsgewalt auf drei Bereiche unvermeidlich entstehenden Reibungsverluste vor Autokratie zu bewahren.“

Achtzig Jahre später wiederholte der bekannte Konservative Grover Norquist Brandeis Aussage in seiner Einschätzung der  Theorie der einheitlichen Exekutivgewalt. Norquist sagte: „Wenn man keine Verfassung hat, hat man einen König.“

Man fragt sich, was Bush und Co. mit der neuen Direktive des Präsidenten beabsichtigen. Was geschieht, wenn – der Himmel möge dies verhüten – irgendein katastrophales Ereignis kurz vor den Wahlen im Jahr 2008 einträte? Bush könnte diese Direktive nutzen, um die Wahlen auszusetzen. Diese Regierung hat keine Mühen gescheut, um im Irak zu bleiben. Sie hat große dauerhafte Militärbasen errichtet und darauf gedrängt, Iraks Ölproduktion zu privatisieren. Es könnte durchaus sein, daß Bush und Cheney nicht willens sind, die Macht an eine nachfolgende Regierung abzugeben.

Übersetzt vom Englischen von Hergen Matussik und überprüft von Fausto Giudice, Mitgliedern von Tlaxcala, dem Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt.


Articles by: Prof. Marjorie Cohn

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