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IWF-Kredite an die Ukraine: Ziel ist die vollständige Destabilisierung des Landes
By Ernst Wolff
Global Research, February 17, 2015

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Am 12. Februar verkündete Christine Lagarde, Direktorin des Internationalen Währungsfonds, der IWF habe sich mit der ukrainischen Regierung auf ein neues wirtschaftliches Reformprogramm geeinigt. Die Bekanntgabe der Nachricht erfolgte nur wenige Minuten nach Beendigung der Friedensgespräche zwischen den Regierungschef Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine in Minsk. Der Zeitpunkt war nicht zufällig gewählt. Die USA waren von den Friedensgesprächen ausgeschlossen worden und reagierten nun, indem sie der Welt durch ihre mächtigste Finanzorganisation eine klare Botschaft zukommen ließen: Die Politik der Ukraine wird auch weiterhin von Washington aus bestimmt – wenn schon nicht durch Waffenlieferungen, dann zumindest wirtschaftlich und finanziell.

Christine Lagardes Behauptung, das Programm werde für eine „unmittelbare wirtschaftliche Stabilisierung“ sorgen und markiere „einen Wendepunkt für die Ukraine“ sind ebenso weit von der Wirklichkeit entfernt wie das seit Jahren von den Mainstream-Medien vermittelte Bild des IWF als einer Hilfsorganisation, die in Not geratene Länder „rettet“. Kaum ein Cent der Kredite wird die arbeitende Bevölkerung der Ukraine je erreichen. Stattdessen wird der Löwenanteil des Geldes benutzt werden, um die den USA ergebene Regierung von Premierminister Jazenjuk zu stützen. Es wird sie in die Lage zu versetzen, die von ihrer Vorgängerregierung nach der Finanzkrise von 2008 angehäuften Schulden zu bedienen, einen Großteil der monatlichen Militärausgaben von 250 Millionen US-Dollar für den Krieg gegen die eigene Bevölkerung zu bestreiten und zumindest einige der durch den wirtschaftlichen Zerfall entstandenen Löcher im Staatshaushalt zu stopfen.

Als Grundlage für die Kredite dienen das Wirtschaftsprogramm für 2015 – 2020 vom Dezember 2014, sowie die harschen Bedingungen der im August 2014 zwischen IWF und ukrainischer Regierung abgeschlossenen Absichtserklärung (letter of intent“). Einige der Maßnahmen sind bereits in Kraft, andere werden folgen. Zu den bereits in Kraft getretenen zählt die Wechselkursfreigabe der ukrainischen Währung Hrivna. Ihre 67%ige Abwertung hat internationalen Devisenhändlern zu Milliardengewinnen verholfen, während sie den durchschnittlichen Monatslohn im Lande unter 50 Euro gedrückt hat.

Die 25%ige Inflation von 2014 und eine Erhöhung der Gaspreise um 50 % im Mai 2014 machen dem schwächsten Viertel der Bevölkerung ein Überleben fast unmöglich. Aber auch der Rest der arbeitenden Bevölkerung, vor allem Alte und Schwache, werden eine drastische Verschlechterung ihres Lebensstandards hinnehmen müssen. Für 2015 und 2016 sind die Entlassung von 10 % der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und die teilweise Privatisierung von Gesundheits- und Bildungswesen geplant. Das Renteneintrittsalter für Frauen soll um 10 Jahre, das für Männer um 5 Jahre erhöht werden. Soziale Vergünstigungen für Rentner sollen gestrichen, der Markt für Medikamente soll dereguliert werden. Die bestehenden Renten werden eingefroren, das kostenlose Mittagessen für Schulkinder und Patienten in Krankenhäusern gestrichen. Die Zahlungen an die Opfer der Katastrophe von Tschernobyl werden gekürzt und die Grenzen der radioaktiven Gefahrenzone neu festgelegt. Der staatlich festgesetzte Mindestlohn wird entgegen früheren Zusagen nicht angehoben, sondern verbleibt bis zum November 2015 bei 1.218,00 Hrivna (knapp 42,00 Euro).

All diese Maßnahmen werden mit Sicherheit nicht für die von Christine Lagarde angekündigte „Wiedereinführung robusten Wachstums“ sorgen. Statt dessen werden sie das Leid der ukrainischen Bevölkerung verschlimmern, den sozialen Graben in dem durch einen blutigen Bürgerkrieg zerrissenen Land vertiefen, seinen Zerfall beschleunigen, separatistischen Bewegungen zusätzlichen Nährboden bieten und damit die perfekten Bedingungen für eine Zukunft in Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung schaffen.

Mit der Verfolgung dieser Strategie befindet sich der IWF in perfekter Übereinstimmung mit den geopolitischen Zielen der Wall Street und des Weißen Hauses in Washington. Beide stecken derzeit in tiefen Schwierigkeiten, da wegen der Explosion der Einkommensungleichheit schwere soziale Konflikte in den USA drohen und die in Schulden ertrinkende Regierung wegen des wirtschaftlichen Niedergangs der USA und der globalen Machtverlagerung hin zu den BRICS-Staaten zunehmend die Kontrolle über das Weltfinanzsystem verliert.

Wall Street und das Weiße Haus sind allerdings nicht bereit, diesen historisch unumkehrbaren Prozess tatenlos hinzunehmen. Deshalb führen sie derzeit einen weltweiten Kreuzzug gegen Russland und China, die es gewagt haben, sich gegen den Petrodollar zu versündigen und einen Vertrag über langfristige Öl- und Gaslieferungen außerhalb des Dollars abzuschließen. Außerdem fürchtet Washington, dass beide Länder sich möglicherweise an der Einführung einer neuen, goldgedeckten Währung beteiligen könnten, die den US-Dollar als weltweite Reservewährung ablösen und das endgültige Aus für die globale Vormachtstellung der USA bedeuten könnte. Um dies zu verhindern – und sich darüber hinaus die Kontrolle über die riesigen und gewaltige Profite versprechenden Ressourcen Russlands zu sichern – betreiben Wall Street und das Weiße Haus seit einigen Jahren eine gezielte Politik des Regimewechsels in Moskau. Ihnen ist jedes Mittel recht, um die gegenwärtige politische Führung in Moskau durch eine Regierung zu ersetzen, die den US-Interessen genauso ergeben ist wie das Kabinett von Premierminister Jazenjuk in Kiew.

Eines der Ziele der USA war zunächst die Integration der Ukraine in die NATO. Mit dieser Maßnahme sollte der militärische Druck auf Moskau erhöht werden. Doch die EU – insbesondere Deutschland – scheinen nicht bereit, sich auf einen Krieg gegen Russland einzulassen (nicht aus humanitären Erwägungen heraus, sondern wegen ihrer Abhängigkeit von russischem Gas und Öl und vermutlich wegen ihrer Erwartung einer neuen Weltfinanzordnung, die nicht mehr von den USA beherrscht werden wird). Auch die Mehrheit der US-Bevölkerung scheint trotz einer massiven Medien-Kampagne mit dem Ziel der Dämonisierung Waldimir Putins nicht bereit, einen Krieg zu unterstützen, der mehr Geld und mehr Leben als alle früheren Kriege kosten und in einer nuklearen Katastrophe enden könnte. Deshalb zielt die gegenwärtige Politik von US-Regierung und Wall Street hauptsächlich darauf ab, die bereits bestehenden sozialen, ökonomischen und ethnischen Konflikte in der Ukraine anzuheizen und zu verschärfen. Auf diese Weise hofft man, Wladimir Putin und seine Gefolgsleute in einen lang anhaltenden und kostspieligen Krieg an der Westgrenze Russlands hineinzuziehen, der seine Position im eigenen Land schwächen und schließlich den Weg für die Einsetzung einer neuen Führung in Moskau bereiten könnte.

Betrachtet man die Ukraine auf diese Weise als einen Teil der gegenwärtigen geopolitischen Auseinandersetzungen, so wird einem klar, dass die von Christine Lagarde angekündigten neuen Kredite des IWF ganz gewiss keinen „Wendepunkt“ zum Besseren darstellen. Statt dessen werden sie einmal mehr unsägliches menschliches Leid bewirken und zu der langen Blutspur beitragen, die der IWF in der Vergangenheit in so vielen Fällen nach der Ankündigung von „Hilfe und Unterstützung für in Not geratene Staaten“ hinter sich zurückgelassen hat.

Ernst Wolff ist freiberuflicher Journalist und Autor des Buches „Weltmacht IWF- Chronik eines Raubzugs“, erschienen im Tectum Verlag, Marburg

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