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Warum Moskau Washington in der Raketenabwehr nicht traut: Bewegen wir uns auf einen präventiven Nuklearkrieg zu?
By F. William Engdahl
Global Research, February 09, 2012
9 February 2012
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Die Meisten in den entwickelten Ländern sind komplett ahnungslos, dass wir uns unausweichlich in Richtung eines immer wahrscheinlicher werdenden Atomkriegs zubewegen. Nein, es geht hierbei nicht um den Iran und Israel. Es geht um die Entscheidung Washingtons und des Pentagons, Moskau mit der euphemistisch genannten ‚Ballistischen Raketenabwehr‘ (BMD) an die Wand zu drücken.

Am 23. November 2011 informierte der normalerweise gehaltene Dimitry Medvedev mit folgenden eindeutigen Worten die Welt, Russland sei in Erwiderung des fortgeschrittenen Baus des US-amerikanischen Raketenabwehrschildes bereit, seine Raketen an der Grenze zur EU zwischen Polen und Litauen, und möglicherweise auch im Süden nahe Georgiens und des NATO Mitglieds Türkei zu stationieren: „Die Russische Föderation wird im Westen und Süden des Landes moderne Waffensysteme stationieren, die dazu benützt werden können, den europäischen Teil der US amerikanischen Raketenabwehr zu zerstören,“ gab er im russischen Fernsehen bekannt. „Einer dieser Schritte könnte die Stationierung des Iskander Raketensystems in Kaliningrad sein.“[1] Diese wären ballistische Kurzstreckenraketensysteme. Die letzte Version des Iskandersystems, das Iskander-K, dessen Einzelheiten streng geheim sind, hat eine Reichweite von vermutlich 2.000 km und ist mit Marschflugkörpern mit einer Treffgenauigkeit von 7 m oder genauer ausgerüstet.

Medvedev erklärte, er hätte das Russische Verteidigungsministerium angeordnet, „unverzüglich“ Radarsysteme in Kaliningrad aufzustellen und in Kampfbereitschaft zu versetzen, um vor Angriffen durch anfliegende Raketen zu warnen. Er ordnete an, den Zielbereich von Russlands strategischen Atomraketen auszuweiten und innerhalb der nächsten sechs Jahre bis 2018 Russlands Atomarsenal mit neuen Sprengköpfen auszustatten, die in der Lage sind, das US/NATO Abwehrschild zu durchbrechen. Medvedev drohte ebenfalls an, Russland würde sich vom neuen START Vertrag zurückziehen, sollte die USA wie angekündigt weitermachen.

Medvedev wies dann berechtigterweise auf den unvermeidlichen Zusammenhang zwischen „defensiven“ und „offensiven“ Raketen hin, indem er sagte: „unter Berücksichtigung des untrennbaren Zusammenhangs zwischen strategischen Offensiv- und Defensivwaffen könnten sich Bedingungen entwickeln, die uns zwingen, uns aus dem neuen START Vertrag zurückzuziehen.“[2]

Der Präsident nahm kein Blatt vor den Mund, als Medvedev sagte, „Ich habe die Streitkräfte angeordnet, Maßnahmen zu entwickeln, um sicherzustellen, dass wir im Ernstfall die Kommando- und Kontrollzentren der amerikanischen Raketenabwehr zerstören können.“ „Diese Maßnahmen sind angemessen, effektiv und billig.“ Russland hat mehrfach gewarnt, der US globale Raketenabwehrschild sei geplant, das nukleare Gleichgewicht zu destabilisieren und ein neues Wettrüsten zu riskieren. Der russische Präsident fügte hinzu, „anstelle die russischen Bedenken ernst zu nehmen, habe Washington stattdessen die Entwicklung der ballistischen Raketenabwehr „beschleunigt“.[3]

Russland hat nicht zum ersten Mal mit Gegenmaßnahmen gegen die wachsende militärische Einkreisung Russland durch das Pentagon gedroht. Als im November 2008 die Welt zum ersten Mal über die US-amerikanische Drohung einer ballistischen Raketenabwehr informiert wurde, hielt Medvedev eine Fernsehansprache an das russische Volk, in der er erklärte: „Ich möchte es etwas hinzufügen, mit dem wir uns in den letzten Jahren auseinanderzusetzen hatten: was ist dies? Es ist der Bau eines globalen Raketenabwehrsystems, die Errichtung von Militärstützpunkten um Russland herum, die rücksichtslose Ausdehnung der NATO und andere ähnliche ‚Geschenke‘ für Russland – wir haben deshalb jeden Grund zu glauben, sie wollen ganz einfach unsere Stärke testen.[4] Diese Drohung wurde einige Monate später fallen gelassen, als die Obama Regierung den heute eindeutig als irreführend erkannten Olivenzweig anbot, die Entscheidung zu revidieren, Abwehrraketen in Polen und der Tschechischen Republik zu stationieren.

Russland droht, seine Iskander Antiabwehrraketen in Kaliningrad zu stationieren

Dieses mal verschwendete Washington keine Zeit zu signalisieren, dass es mit der Entwicklung von thermonuklearen Miniwaffen fortfahren werde. Keine schönen Worte mehr über den „Neustart“ der amerikanisch-russischen Beziehungen. Ein Sprecher von Obamas Nationalem Sicherheitsrat erklärte, „wir werden in keinster Weise unsere Stationierungspläne für Europa einschränken oder ändern.“ Die US Regierung beharrt weiter auf dem wenig überzeugenden Argument, die Antiraketenabwehreinrichtungen seien auf die Abwehr eines möglichen Starts von Atomraketen durch den Iran gerichtet. Unter angemessener Berücksichtigung der tatsächlich vorhandenen globalen amerikanischen wie auch der israelischen Raketenabwehreinrichtungen liegen nach besten unparteiischen Einschätzungen die Wahrscheinlichkeit und das Risiko eines Atomangriffs Irans auf Europa nahe Null.

Zwei Tage zuvor, genauer gesagt am 21. November, hatte Washington Moskau einen kleinen Köder hingeworfen. Die US Unterstaatssekretärin für Rüstungsbeschränkung, Ellen Tauscher sagte, Washington sei bereit, die Geschwindigkeit einer Rakete mitzuteilen, nachdem diese den gesamten Treibstoff aufgebraucht habe. Diese Information, auch Geschwindigkeit nach Abbrennen genannt, hilft bei der Bestimmung, wie diese anzuvisieren ist.[5] Dies wurde gewiss nicht als ernsthaftes Zugeständnis von Moskau angesehen, das eine volle robuste Partnerschaft bei der US/NATO Raketenstationierung verlangt um sicherzustellen, dass diese nie gegen Russland eingesetzt wird. Nach all den Lügen und gebrochenen Versprechen Washingtons gibt es keine Garantie, dass selbst die Geschwindigkeit korrekt sein würde.

Nach dem Treffen der NATO Verteidigungsminister Anfang Oktober sagte der NATO Chef Anders Fogh Rasmussen bezüglich des nominal NATO Europäischen Raketenabwehrprogramms: „Wir erwarten, dass es 2018 einsatzbereit sein wird.“ Spanien gab soeben seine Pläne bekannt, es wolle dem US-kontrollierte Raketenprogramm beitreten und sich damit Rumänien, Polen, den Niederlanden und der Türkei anschließen, die schon zugestimmt haben, auf ihren Gebieten Schlüsselkomponenten des zukünftigen Raketenabwehrnetzwerkes zu stationieren.[6]

Die Bedenken Russlands basieren auf der dramatischen Verbesserung eines kompletten Raketenabwehrsystems durch Washington, welches das Ausmaß eines globalen Raketenabwehrsystems erreicht hat und damit Russland von allen Seiten umzingelt.

Dominanz im ganzen Spektrum

Zu Beginn der Obama Regierung machte im September 2009 Washingtons Raketenabwehrschild das letzte Mal Schlagzeilen, als der US Präsident anbot, die provokative Stationierung von Spezialradaranlagen und Raketenabwehrraketen in Polen und in Tschechien abzumildern. Dies war eine klare Taktik, den Weg zu bereiten für das, was Hillary Clinton nach den gespannten Bush-Putin Tagen lächerlicherweise als „Neustart“ der US-russischen Beziehungen bezeichnete. Das strategische Ziel, den einzigen nuklearen potentiellen Gegner in der Welt mit einer glaubhaften Verteidigung durch Raketen einzukreisen, blieb jedoch weiterhin die Strategie der USA.

Damals gab Barack Obama bekannt, die USA würden die Pläne Bushs zur Stationierung von US antiballistischen Raketen in Polen und eines hochentwickelten Radars in der Tschechischen Republik ändern. Diese Nachricht wurde in Moskau als ein wichtiges Zugeständnis gewertet.[7] Die nachfolgenden Entwicklungen zeigen ganz klar, dass die USA weit davon entfernt waren, ihre Pläne für ein Raketenschild wirklich aufzugeben, das jeden möglichen russischen Versuch des Starts seiner Atomraketen im Keim erstickt hätte, und die USA sich stattdessen für ein effektiveres globales System entschieden hatten, dessen Verwirklichung in der Zwischenzeit bestätigt worden war.

Um die Polen zu beschwichtigen, genehmigte die Obama Regierung auch die Lieferung von US Patriot Abwehrraketen an Polen. Der polnische Außenminister war damals wie heute Radan Sikorski. Von 2002 bis 2005 war er ein in Washington anwesender Stipendiat des American Enterprise Institutes, einer bekannten neo-konservativen militaristischen Denkschmiede, und leitender Direktor der North Atlantic Initiative, eines Projektes mit dem Ziel, soviel Länder des früheren Ostblocks wie möglich in die NATO einzubringen. Darum ist es kein Wunder, dass Moskau die US Raketen in Polen nicht als einen Freundschaftsakt betrachtete, noch dies heute tut.

Im Mai 2011 gab die Obama Regierung bekannt, die Raketen, die sie jetzt an Polen liefern würden, seien die neuen Raytheon (RTN) SM-3 Raketenabwehrsysteme und würden auf dem Redzikowo Militärstützpunkt in Polen, etwa 50 Meilen (80 km) von der russischen Enklave Kaliningrad entfernt stationiert werden, einem besonderes Stückchen russischer Besitz und nicht mit dem Territorium des eigentlichen Russlands verbunden, aber direkt an die Ostsee und Litauen angrenzend. Dies bringt US Raketen näher an Russland heran als während der kubanische Raketenkrise von 1961, als Washington auf sowjetische Atomstandorte gerichtete Interkontinentalraketen auf Stützpunkten in der Türkei stationierte.[8]

Die neue Raytheon SM-3 Rakete ist Teil des Aegis Raketenabwehrsystems zum Abfangen von Kurz- und Mittelstreckenraketen. Der Kinetische Sprengkopf der SM-3 fängt anfliegende ballistische Raketen über der Erdatmosphäre ab. Lockheed Martin Maritime Systems and Sensors entwickelte das Waffensystem des Aegis Ballistischen Abwehrraketensystems. Die eigentliche SM-3 Rakete wird von Raytheon Missile Systems produziert.

Die polnische Stationierung von SM-3 Raketen ist nur ein Teil eines globalen Netzes, das Russlands nukleares Arsenal umzingelt. In diesem Zusammenhang sollte man nicht vergessen, dass die sog. „Vollspektrum Dominanz“ –  die Dominanz über so ziemlich das gesamte Universum – die offizielle Militärstrategie des Pentagon ist. Im letzten September haben die USA und Rumänien, ein weiteres neues NATO-Mitglied, ein Abkommen zur Stationierung eines US-kontrollierten Raketenabwehrsystems mit SM-3 Raketen auf dem Deveselu Luftwaffenstützpunkt unterzeichnet.

Ebenso hat Washington ein Abkommen mit dem NATO Mitglied Türkei zur Stationierung eines hochentwickelten Raketenverfolgungsradar auf der Spitze eines Berges im Kuluncak Distrikt der Malatya Provinz im Südosten der Türkei unterzeichnet. Obwohl das Pentagon darauf besteht, das Radar sei auf den Iran ausgerichtet, macht ein kurzer Blick auf die Landkarte deutlich, wie einfach der Beobachtungswinkel wichtige russische Nuklearstützpunkte wie Sevastopol einbeziehen könnte, wo der größte Teil der russischen Schwarzmeerflotte stationiert ist, oder das lebenswichtige russische Krasnodar mit seinen Radareinrichtungen.[9]

Das Radar in Malatya wird Daten an US Schiffe senden, die mit dem Aegis Kampfsystem zum „Abfangen“ von iranischen ballistischen Raketen ausgestattet sind. Nach Information von russischen Militärexperten ist eine der wichtigsten Aufgaben dieses Radars mit einer Reichweite von etwa 2.000 km die Überwachung und Kontrolle des Luftraumes im Südkaukasus, insbesondere die Verfolgung experimenteller Starts russischer Raketen in ihrem Testgebiet.[10]

Zusätzlich umfasst die US-kontrollierte Stationierung ballistischer Abwehrraketen auch seegestützte „Aegis“ Systeme im Schwarzen Meer in der Nähe von Sevastopol, Russlands Marinebasis, wie auch möglicherweise die Stationierung von Mittelstreckenraketen im Schwarzen Meer und der Kaspischen Region.[11]

Die Stationierung von ballistischen Raketensystemen des US Pentagon in Europa ist nur ein Teil eines riesigen globalen Netzes. Auf dem Raketengelände von Fort Greeley in Alaska, wie auch auf der Vandenberg Luftwaffenbasis in Kalifornien haben die USA bodengebundene Abfangraketen der ballistischen Raketenabwehr installiert. Und der Pentagon eröffnete erst kürzlich zwei Raketenstandorte auf der Pacific Missile Range Facility auf Hawaii. Zusätzlich haben sich die Japanischen Selbstverteidigungskräfte formell mit der US Missile Defense Agency zusammengetan, um ein System einer sog. Aegis ballistischen Raketenabwehr zur Stationierung von SM-3 Raytheon Raketen auf japanischen Kriegsschiffen zu entwickeln.[12] Dies gibt den USA eine pazifische Plattform, von der aus sie China, Russlands Fernen Osten und die Koreanische Halbinsel treffen können. Dies sind alle ziemlich lange und wundersame Wege, um auf eine iranische Bedrohung zu antworten.

Ursprünge der US Raketenabwehr

Das US Programm, ein globales Verteidigungsnetzwerk gegen mögliche feindliche ballistische Raketenangriffe begann am 23. März 1983, als der damalige Präsident Reagan das Programm, allgemein bekannt unter dem Namen Krieg der Sterne, damals formal aber die Strategische Verteidigungsinitiative genannt, bekannt gab.

Im Laufe der Diskussion während eines Abendessens 1994 mit dem Autor erklärte der Direktor für Ökonomische Studien des Instituts für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen der Sowjetunion, IMEMO, dass es der ungeheure finanzielle Bedarf gewesen sei, den Russland hätte aufbringen müssen, um mit den multi-Milliarden Dollar teuren US Anstrengungen für den Krieg der Sterne mitzuhalten, der letztendlich zum wirtschaftlichen Zusammenbruch des Warschauer Paktes und zur Deutschen Vereinigung im Jahre 1990 führte. Mit dem gleichzeitigen Verlieren des Krieges in Afghanistan und den einbrechenden Öleieinnahmen, die die USA durch ihre Politik des Überschwemmens des Markt mit billigem saudischen Öl verursacht hatten, war die Militärwirtschaft der UdSSR nicht in der Lage, (mit dem Wettrüsten) Schritt zu halten, außer sie hätte massiven Bürgerunruhen in allen Staaten des Warschauer Paktes riskiert.[13]

Dieses Mal ist mit der amerikanischen ballistischen Raketenabwehr ebenfalls geplant, Russland in die Knie zu zwingen, und zwar im Zusammenhang einer US Kreation, die Militärstrategen als „Nukleares Primat“ bezeichnen.

Nukleares Primat: das Undenkbare denken

Während die Streitkräfte der Sowjetära seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 eine drastische Schrumpfung erlebten, hielt Russland hartnäckig am Kern seiner nuklearen strategischen Abschreckung fest. Dies sollte Washington ein Innehalten beim Überlegen geben, wie mit Russland verfahren werden sollte. Washington hat alles in seiner Macht getan, um das Potential, das Russland mit einer Vertiefung seiner militärischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit zentralasiatischen Partnern in der Shanghai Cooperation Organisation, allen voran mit China entstünde zu schwächen. Eine solche Zusammenarbeit wird zunehmend eine Frage von Leben oder Tod sowohl für China und Russland. Chinas Atompotential ist noch nicht strategisch wie das Russlands.

Die jetzigen Absichten des Pentagon sind das, was es sich seit der Entwicklung von Interkontinentalraketen durch die Sowjets in den 1950-er Jahren erträumt hat. Waffen und Militär nennen es Nukleares Primat. In der Laiensprache bedeutet Nukleares Primat, dass, sobald einer von zwei gleichstarken nuklearen Rivalen in der Lage ist, selbst ein wenn auch unzulängliches Raketenabwehrsystem in Stellung zu bringen, das die Fähigkeit des anderen zum atomaren Gegenschlag ernsthaft gefährdet, während dieser einen vollen Atomangriff auf seinen Gegner startet, dieser den Atomkrieg gewonnen hat.

Die dunklere Seite dieser militärisch-strategischen Nuklearprimatmünze ist, dass die Seite ohne angemessene Gegenmaßnahmen gegen die Raketenabwehr, während sie die nationale Sicherheit mit jeder neuen Raketenabwehrbatterie und Radareinrichtung dahinschwinden sieht, unter wachsendem Druck steht, einen präventiven atomaren oder anderweitig tödlichen Gegenschlag auszuführen, bevor sich die Gelegenheit hierfür schließt. In einfachen Worten ausgedrückt heißt dies, dass die Raketenabwehr nicht im Geringsten „defensiv“ ist, wie von Washington behauptet, sondern im Gegenteil im höchsten Maße offensiv und destabilisierend ist. Des weiteren werden solche Nationen, die sich so herrlich ahnungslos vorgaukeln lassen, sie würden sich den mächtigen Schutzschirm der amerikanischen Streitkräfte kaufen, wenn sie dem Pentagon gestatteten, auf ihrem Gebiet Raketenabwehreinrichtungen zu installieren, bald herausfinden werden, dass sie zugelassen haben, dass ihr Gebiet zu einem nuklearen Schlachtfeld in der immer wahrscheinlicher werdenden Konfrontation zwischen Washington und Moskau werden wird.

Dr. Robert Bowman, ein pensionierter Oberstleutnant der US Luftwaffe und früherer Direktor von Präsident Reagans Raketenabwehr in den 1980-ger Jahren, damals bezeichnenderweise Star Wars genannt, machte auf den wahren Charakter der jetzigen ballistischen Raketen“verteidigung“ aufmerksam, für die heute die Raketenabwehrbehörde im Verteidigungsministerium zuständig ist:

Unter Reagan und Bush I war es die Behörde der Strategischen Verteidigungsinitiative (Strategic Defense Initiative Organization, SDIO). Unter Clinton wurde sie die Ballistische Raketenverteidigungsbehörde. Jetzt hat Bush II sie zur Raketenabwehrbehörde gemacht und sie der üblichen Aufsicht und Prüfung enthoben, in dessen Genuss früher nur die sog. Schwarzen Programme kamen. Falls der Kongress nicht bald aktiv wird, könnte diese neue unabhängige Behörde ihr de facto unbegrenztes Budget für Zwecke und Waffen außerhalb jeder Kontrolle durch die Öffentlichkeit oder den Kongress verwenden, und wir würden erst dann etwas erfahren, nachdem diese schon im Weltraum stationiert sind. Theoretisch würden die Weltraumkrieger dann die Welt beherrschen und wären in der Lage, jeden Punkt der Erde ohne Warnung zu zerstören. Werden diese Superwaffen dem amerikanischen Volk Sicherheit bringen? Wohl kaum.“[14]

Während des Kalten Krieges hatte die Fähigkeit beider Seiten – des Warschauer Paktes und der NATO – sich gegenseitig auszulöschen zu einem nuklearen Patt geführt, das Militärstrategen mit dem Kürzel MAD für ‚Mutually Assured Destruction‘ oder ‚gegenseitig zugesicherte Zerstörung‘ belegten. Es war furchteinflößend, doch in einem bizarren Sinne stabiler als das, was Washington jetzt rücksichtslos mit seiner Ballistischen Raketenabwehr in Europa, Asien und weltweit mit seinem einseitigen Anstreben des Nuklearprimats der USA anstrebt. MAD basierte auf der Aussicht gegenseitiger atomare Auslöschung in der Abwesenheit eines entscheidenden Vorteils einer der beiden Seiten; es führte zu einer Welt, in der Atomkrieg als ‚undenkbar‘ galt. Jetzt ist die USA dazu übergegangen, die Möglichkeit Atomkrieg als ‚denkbar‘ zu verfolgen.

Oberstleutnant Bowman erklärte in einem Telefoninterview mit diesem Autor die Raketenverteidigung als „das fehlende Glied zu einem (atomaren) Erstangriff.“[15]

Tatsache ist, Washington versteckt sich mit seiner Stationierung des europäischen Raketenabwehrschildes hinter einer NATO-Fassade, während die USA über dieses gleichzeitig die absolute Kontrolle ausüben. Russlands Gesandter bei der NATO, Dimitry Rogozin, nannte den europäischen Teil des US amerikanischen Raketenabwehrschildes ein Feigenblatt „für einen Raketenverteidigungsschirm, auf dem ‚Made in USA‘ steht. Europäische Nato Mitglieder haben weder einen Knopf zum Drücken noch einen Finger, ihn zu drücken.“[16]

Das ist der Grund, warum Moskau auf Garantien besteht – von den Vereinigten Staaten – dass das Schild nicht gegen Moskau gerichtet ist. Beunruhigend ist jedoch, dass Washington dies bis heute kategorisch abgelehnt hat. Könnte es sein, dass die mit der Aufrechterhaltung des Weltfriedens in Washington beauftragten Leute in Washington völlig verrückt geworden sind? Auf jeden Fall ist die Tatsache, dass Washington weiterhin bedeutende internationale Abrüstungsverträge zerreißt und ohne rechtliche Grundlage mit dem Aufbau seines globalen Raketenschildes voranschreitet, ist in Moskau, Peking und anderswo Grund genug, US Versprechen, ja selbst Verträge nicht einmal für soviel Wert zu halten, wie das Papier, auf dem sie geschrieben sind.

 

 

F. William Engdahl kann auf seiner Webseite www.engdahl.oilgeopolitics.net kontaktiert werden. Sein neuestes Buch mit dem Titel ‚Myths, Lies and Oil Wars‘ untersucht die Zusammenhänge zwischen Geopolitik und Öl und wird voraussichtlich im Frühjahr 2012 erscheinen.

Übersetzt von Karl Kaiser

Artikel auf Englisch : Why Moscow does not Trust Washington on Missile Defense. Towards a Pre-emptive Nuclear War?

Anmerkungen

 

1. David M. Herszenhorn, Russia Elevates Warning About U.S. Missile-Defense Plan in Europe, The New York Times, November  23, 2011.

2. Ibid.

3. Ibid.

4. Misha, Medvedev: Russia will Deploy Iskanders in Kaliningrad to Neutralize New US Missile Threat, Misha’s Russian Blog, December 30, 2008, accessed in
http://mishasrussiablog.blogspot.com/2008/11/medevev-russia-will-deploy-iskanders-in.html.

5. RIA Novosti, US ready to provide Russia with missile shield details, Moscow, November 21, 2011, accessed in http://en.rian.ru/russia/20111121/168883920.html.

6. RIA Novosti, NATO’s missile defense program to be fully operational in 2018 – Rasmussen, 5 October, 2011, accessed in http://en.rian.ru/world/20111005/167417252.html.

7. CNN, U.S. scraps missile defense shield plans, September 17, 2009, accessed in
http://edition.cnn.com/2009/WORLD/americas/09/17/united.states.missile.shield/index.html

8. Kenneth Repoza, Obama’s Cold War? Raytheon Missiles On Russia’s Border By 2018, Forbes, September 15, 2011, accessed in
http://www.forbes.com/sites/kenrapoza/2011/09/15/obamas-cold-war-raytheon-missiles-on-russias-border-by-2018/

9. Missile Defense Agency, News and Resources various press releases and program descriptions, accessed in http://www.mda.mil/news/news.html

10. Sergey Sargsyan, Turkey in the US Missile Defense System: Primary Assessment and Possible Prospects, 13 October, 2011, Center for Political Studies, “Noravank” Foundation, accessed in
http://noravank.am/eng/articles/detail.php?ELEMENT_ID=6051

11. Ibid.

12. Missile Defense Agency, op. cit.

13. F. William Engdahl, Full Spectrum Dominance: Totalitarian Democracy in the New World Order, Wiesbaden, 2010, edition.engdahl, p. 145.

14. Robert Bowman, cited in F. William Engdahl, op.cit., p. 161.

15. Ibid., p. 162

16. RIA Novosti, Nato Is Figleaf, November 1, 2011. 

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